Bildschirmzeit in Echtzeit: Diese iPhone-App geht weiter als Apple
Der Berliner Entwickler Perjan Duro geht mit seiner Bildschirm-Zeit App für iOS weiter als Apple. Doch dafür musste er tief in die iPhone-Trickkiste greifen.
Eigentlich ist das Prinzip von Bildschirmzeit-Apps absurd: Die Geister, die die Gesellschaft mit der Digitalisierung gerufen hat, will sie damit wieder loswerden. Zumindest ein bisschen. Und das dann ausgerechnet noch mit einer App. Wer seine Bildschirmzeit misst und dann mit schuldbewusster Miene zur Kenntnis nimmt, viel zu viel in Social-Media-Apps und Spielen zu verweilen, muss sich eingestehen, zumindest einmal schon eingeknickt zu sein. Denn die einfachste Methode wäre es, einfach das Smartphone aus der Hand zu legen. Die Bildschirmzeit – sie ist gewissermaßen das Nikotinpflaster der digitalen Welt. Der Versuch der schrittweisen Entwöhnung.
Apple selbst bietet seit fünf Jahren eine ins System integrierte Bildschirmzeit-Funktion. Der iPhone-Hersteller trägt damit der Entwicklung Rechnung, dass gerade junge Menschen täglich Stunden vor dem Gerät verbringen. Seit iOS 12 können in den Einstellungen Grafiken und Zahlen eingesehen werden. Wer sich oder den eigenen Nachwuchs disziplinieren möchte, kann Auszeiten einstellen und einzelne Apps und App-Gattungen begrenzen. Aber zur Wahrheit gehört auch: Die Bildschirmzeit in iOS ist bis auf die Sperren sehr zurückhaltend – eigentlich viel zu dezent, um im Moment des übermäßigen Smartphone-Gebrauchs den nötigen erhobenen Zeigefinger zu sehen.
Eine schärfere Variante
Eine schärfere Variante hat jetzt der Berliner Entwickler Perjan Duro programmiert. Der Name „Bildschirmzeit Realtime“ verheißt schon den großen Unterschied zur Systemlösung: Nutzer bekommen in Echtzeit die mitlaufende Uhr angezeigt und wie oft eine bestimmte App an diesem Tag aufgerufen wurde. Der Effekt für das Digitale Wohlbefinden ist, lautet unser Zwischenfazit nach einigen Wochen, ein ganz anderer – um nicht zu sagen: uns plagt das schlechte Gewissen, X (ehemals Twitter), Facebook, Instagram und Co. so oft geöffnet zu haben. Die Statistiken in der App beachten wir kaum noch, der Echtzeiteffekt ist viel stärker.
Für die Anzeige macht sich Duro die Dynamic Island zunutze, jene Displayaussparung im iPhone 14 Pro (Max), die Kamera und Sensoren beherbergt. Apple lässt sie per Software wahlweise wie ein Extra-Display aussehen. „Bildschirmzeit Realtime“ zeigt hier die Zeit der aktuellen Session in der jeweiligen App an. Auf Geräten ohne Dynamic Island wird die Zeitanzeige in Form einer Benachrichtigung am oberen Bildschirmrand angezeigt.
Tief in die Trickkiste gegriffen
Damit eine Dritt-App überhaupt die Bildschirmzeit messen kann, musste der Entwickler tief in die Apple-Trickkiste greifen. Nutzungsdaten über den App-Gebrauch sind nach Apples Datenschutzregeln eigentlich tabu. Deshalb ist Eigeneinsatz des Anwenders gefordert: Über die Automatisierungs-App Kurzbefehle müssen für jede einzelne getrackte App Workflows eingerichtet werden: einmal fürs Öffnen und einmal fürs Schließen. Die Einrichtung geht spätestens nach der zweiten App leicht von der Hand, ist in der Summe aber mühsam und sorgt dafür, dass neu installierte Apps oder solche, die bislang nicht getrackt wurden, erst mal nicht auf dem Radar der App landen. Auch bietet der Entwickler nur einen begrenzten Katalog an App-Namen. Per Mail kann aber das Hinzufügen weiterer erbeten werden.
Die App kann per iCloud geräteübergreifend messen. Allerdings muss auf jedem einzelnen Gerät für jede einzelne App der manuelle Einrichtungsprozess durchlaufen werden.
Anders als die Bildschirmzeit ab Werk kostet die App auch etwas. Die Preise reichen zwischen 1,99 Euro pro Monat und 9,99 Euro pro Jahr. Wer sich sicher ist, die App langfristig einzusetzen, bekommt sie für knapp 50 Euro auf Lebenszeit angeboten. Das Smartphone einfach mal beiseitezulegen, bleibt bei aller Nützlichkeit der App auch weiterhin die günstigste Variante, das digitale Wohlbefinden zu wahren.